Waldwildnis im Wandel: Nationalpark Harz

Zu den berühmtesten deutschen Nationalparks gehört der länderübergreifende Park im Harz. Besucher können auf einer Wanderung den Umbau einer vom Menschen geschaffenen Kulturlandschaft zur Wildnis hautnah miterleben. Gleichzeitig bildet der Harz alle aktuellen Konflikte ab, die Manager von Nationalparks lösen müssen.

Die Geschichte des Nationalparks Harz

Als sich die Ministerpräsidenten von Niedersachsen und Sachsen-Anhalt in Thale am 28. August 2004 trafen, um einen Staatsvertrag über die Zusammenführung zweier Nationalparkverwaltungen im Harz zu unterzeichnen, hatte dieser Park bereits eine lange Vorgeschichte. Schon Wolfgang von Goethe schwärmte von der einzigartigen Natur in Deutschlands nördlichstem Mittelgebirge. Hermann Löns formulierte 1912 die Idee für einen Harzer Heimatpark in der Umgebung von Bad Harzburg, in dem der Nutzwald zu einem naturnahen Bergwald weiterentwickelt werden sollte. Nach ersten Bestrebungen 1937 wurde 1954 in Niedersachsen das Naturschutzgebiet Hochharz ausgewiesen. Dieses wurde im Westen zur Keimzelle des späteren Nationalparks. Auch in der DDR stellt man 1967 das Brockengebiet unter Naturschutz. Dort reifte der Gedanke eines Nationalparkprogramms genau wie im Westen. Noch in der letzten Sitzung der DDR- Volkskammer wurde die Verordnung über den Nationalpark Hochharz in Kraft gesetzt. Es war die Geburtsstunde des Nationalparks Hochharz.

Ein Nationalpark mit viel Nutzwald

Einerseits konnten die Naturschützer die besondere, deutsche Geschichte als Glücksfall nutzen: In den Sperrgebieten am Brocken und an der ehemaligen innerdeutschen Grenze konnte sich die Natur weitgehend ungestört entfalten. Andererseits war der Harz seit Jahrhunderten intensiv vom Menschen genutzt worden. Die Bergbauindustrie verlangte große Holzmengen. Dies führte zur Anpflanzung großer Fichtenmonokulturen, die noch heute weite Regionen des Harzgebirges prägen. Die Wälder wurden intensiv bewirtschaftet. Der Nationalparkgedanke verlangt nun einen weitgehenden Verzicht auf menschliche Eingriffe. Die Natur soll sich selbst überlassen bleiben. Daraus folgte ein ausgesprägter Wandel, der nicht ohne Konflikte blieb.

Wanderung durch eine Landschaft im Umbruch

Den dramatischen Umbruch im Nationalpark Harz kann man sehr gut bei Wanderungen in der Umgebung des Informationszentrums Torfhaus sehen. Von dort führen die Wege über die großen Hochmoore des Harzes scheinbar in eine Endzeitlandschaft: Stürme, Klimawandel und der berüchtigte Borkenkäfer haben einen Großteil der Fichten zerstört. Gleichzeitig regeneriert sich die Natur. Man kann einem Urwald bei der Entstehung zusehen. Unbedingt sollten die Besucher dabei auf geeignete Schuhe und Kleidung achten, denn man kann umso mehr sehen, wenn man jenseits der bequemen, breiten Wege wandert. Gerade das herumliegende Totholz erlaubt wahre Entdeckungsreisen. Man sieht, wie Pilze und Insekten das Holz zersetzen, das Rohstoff für neue Bäume wird. Es ist ein Kreislauf von Werden und Vergehen. Eine spannende Route führt von Torfhaus über den dritthöchsten Harzgipfel Achtermann nach Braunlage. Dort lernt man aber auch die Konflikte verstehen.

Streit wegen der Waldbewirtschaftung

Der Borkenkäfer, der von der Nationalparkverwaltung nicht als Schädling, sondern als Helfer gesehen wird, macht vor dem angrenzenden Wirtschaftswald nicht halt. Es kam zu großflächigen Zerstörungen auch außerhalb des Nationalparks. Politiker und Waldbesitzer protestierten heftig. Erschwerend wirkt hier der Klimawandel: Durch die anhaltende Dürre steht der Wald unter Stress. Das erschreckende Aussehen des Waldes beunruhigte auch die Fremdenverkehrsmanager. Allerdings gibt das erfolgreiche Beispiel eines anderen Nationalparks Anlass zur Hoffnung: Der Bayerische Wald ist heute nach einem ähnlichen Wandlungsprozess eine beispielhafte Erfolgsgeschichte.